3. Ein Teil der Universität
Um unverzüglich den Betrieb aufnehmen zu können, wurde zunächst davon abgesehen, dem Europainstitut einen Status öffentlichen Rechts zu geben. So war das Europainstitut anfänglich eine privatrechtliche Einrichtung „an“ der Universität. Die Trägerstiftung wurde im Juni 1993 im Rektorat der Universität gegründet; ihr gehörten unter anderen auch der damalige Universitätsrektor Luzius Wildhaber sowie die Erziehungsdirektoren der beiden Basler Kantone an. Ein Institut „der“ Universität wurde das Europainstitut im Jahr 1998. Bis dahin war die Stiftung alleinige Trägerin des Instituts, anschliessend war sie noch mit zwei Mitgliedern in der Institutsleitung vertreten, was der akademischen Einrichtung einen direkten Kontakt mit der ausseruniversitären Berufswelt ermöglichte. Anstelle der Fakultäten wirkte die Interfakultäre Kommission (IFK), in der die Fakultäten mit je zwei von ihnen bestimmten Mitgliedern vertreten waren. Das Lehrangebot (Themen wie Unterrichtende) sowie die Abnahme der Diplomarbeiten bedurften der Genehmigung durch die IFK. Diese sicherte von Anfang an die enge Verbindung mit der Universität. Mit diesem Gremium beschritt das Europainstitut ebenfalls universitäres Neuland.
Gründungsdirektor des neuen Instituts war Georg Kreis, der Autor dieser Zeilen. Die drei Dozenturen wurden 1993 auf unübliche Weise besetzt – zwar mit einer allgemeinen Ausschreibung, aber ohne Habilitationsbedingung, ohne die üblichen Probevorträge und ohne von den Fakultäten eingesetzten Berufungskommissionen. Es war die IFK, welche drei Dozierenden nach den abgehaltenen Befragungen engagierte: Frank Emmert (D)für die europarechtliche, Brigid Gavin (IE) für die wirtschaftswissenschaftliche und Stephan Kux (CH) für die politikwissenschaftliche Abteilung.
Nach einem fulminanten Start im November 1993 entwickelte sich das interdisziplinäre Institut gut. Man suchte intensiven Kontakt zu den disziplinär arbeitenden Fächern und wollte als inneruniversitäre Drehscheibe zur Verfügung stehen. Am 6. November 1997 beschloss der Universitätsrat die Integration des Europainstituts auf den Herbst 1998. Damit gingen substantielle Veränderungen einher. Aus den drei dem Europainstitut zu 100 Prozent zur Verfügung stehenden und etwas bescheidener honorierten Dozenturen wurden im Prinzip drei Vollprofessuren, die mit den Fakultäten geteilt werden mussten, eine Hälfte ging an die universitären Hauptstudien, die andere Hälfte an das Nachdiplomstudium des Europainstituts. Diese Lösung sollte eine bessere wechselseitige Verschränkung der beiden Unterrichtsfelder möglich machen. Auf Herbst 1999 konnte die Politologie mit Pascal Sciarini aus Genf besetzt werden. Schon nach einem Jahr wechselte Sciarini allerdings auf eine volle Professur nach Lausanne, und Laurent Goetschel, Direktor von Swisspeace, rückte auf Herbst 2000 nach. Den Rechtsbereich versah Christa Tobler seit Herbst 2000 als Assistenzprofessorin und seit Herbst 2005 als ordentliche Professorin mit einem zweiten Amt an der Universität Leiden, wo sie schon seit 1995 tätig war. Ebenfalls seit Herbst 2000 war für die Lehre im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich Rolf Weder verantwortlich. Die Hälfte seines 50-Prozent-Deputats wollte er dem Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität (WWZ) zugutekommen lassen; dieses stellte im Gegenzug Lehrleistungen im Umfang von 25 Stellenprozenten zur Verfügung.2
Der Herbst 2000 machte somit eine Art soliden Neustart mit engagierten und gestaltungsfreudigen Dozierenden möglich.3 Die Strukturen blieben grundsätzlich die gleichen, auch die beschränkten Personalkapazitäten blieben es. Die IFK konzentrierte sich nach der Vollintegration in die Universität 1998 vermehrt auf die grösseren Fragen der strategischen Ausrichtung. Sie blieb aber stets das zentrale Organ, das die Prüfungsergebnisse validierte und die Bewertungen der Masterarbeiten überprüfte.
2 Bericht zu den Probevorlesungen für die ausgeschriebenen Professuren mit Angaben der Bewerber im Newsletter Nr. 27 vom September/Oktober 1998.
3 Vgl. Präsentation der drei Dozierenden im Newsletter Nr. 37 vom September/Oktober 2000. Ausführliche Berichterstattung mit Bild in der Basler Zeitung vom 5. September 2000.
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1: Ausgangslage
- Teil 2: Ein Pionierprojekt
- Teil 3: Ein Teil der Universität
- Teil 4: Regional und International
- Teil 5: Das Ausbildungsangebot
- Teil 6: Die Interdisziplinarität
- Teil 7: Kleines Team – grosse Aufgabe
- Teil 8: Die Finanzierung
- Teil 9: Angesehene Gäste
- Teil 10: Die Domizile
- Teil 11: Ein Ende und ein Anfang
- Teil 12: Global, transnational, historisch und digital
- Teil 13: 2018-2023: Umbruch und Transformation
Über den Autor
Prof. Dr. Georg Kreis war von 1993 bis 2011 Leiter des Europainstituts der Universität Basel, wo er auch weiterhin unterrichtet. 2008 wurde er als Professor für Neuere Allgmeine Geschichte und Schweizer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Basel emeritiert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte der europäischen Integration, internationale Beziehungen, Fragen der Identität, Nationalismus sowie die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Genozid, kollektive Erinnerungen und Repräsentationen des Vergangenen.