5. Das Ausbildungsangebot
Zu Beginn bot das Europainstitut einen zweisemestrigen Nachdiplomstudiengang an, der zum Titel eines „Master in Advanced European Studies“ führte. Trotz enorm kurzer Ausschreibungsfrist erfreute sich das angebotene Vollzeit-Studium wegen der Gunst der Zeit und des 1993 offenbar bestehenden Nachholbedarfs mit 27 Anmeldungen eines grossen Zuspruchs. Ein Teil der Studierenden des Nachdiplomstudiengangs kam direkt aus dem vorangegangenen Grundstudium, ein anderer Teil hatte bereits erste Berufserfahrungen, wollte sich aber weiterqualifizieren, und ein kleiner, vor allem am Anfang anfallender Teil war bereits älter und schrieb sich ein, weil es dieses Studienangebot vorher noch nicht gegeben hatte. Das relativ breite Altersspektrum erwies sich als weitere Stärke der gemischten Kurse. Die Anmeldungen führten zu einer mehr oder weniger ausgeglichenen Gendermischung, mit der Zeit ergaben sie einen leicht höheren Frauenanteil.
Jedes Jahr wurde im Newsletter berichtet, wie sich die Studienjahrgänge zusammensetzten. Schweizerinnen und Schweizer waren meistens tatsächlich in der Minderzahl. Die Jahrgänge erlebten sich als Klassen, und die Studierenden tauschten sich mit ihren unterschiedlichen disziplinären und nationalen Herkünften aus. Wichtig war neben der vertikalen Kommunikation die horizontale Kommunikation unter den Studierenden, unter anderem bei gemeinsamen Prüfungsvorbereitungen und geselligen Veranstaltungen.
Eine ernsthafte Hürde für viele ausländische Studierende bildete der Kostenfaktor des 12’000 Franken teuren Nachdiplomstudiengangs. Anfänglich verfügte das Institut über keine Stipendienmittel. Dann standen während neun Jahren 5–6 von der Gebert-Rüf-Stiftung und 1–2 aus Mitteln des Fördervereins finanzierte Studienplätze zur Verfügung. Der Förderverein des Instituts stellte ebenfalls einzelne Stipendien und punktuelle Unterstützungsbeiträge zur Verfügung.
Das Studienangebot setzte sich aus einem Kern von Pflichtbelegungen und einem Kranz von Wahlkursen zusammen. Die Pflichtbelegungen sollten in den Fächern, zu denen kein Vorwissen aus früherer Ausbildung bestand, einen Grundstock legen und zum Europawissen elementare Kenntnisse sichern. Neben eher monodisziplinär gehaltenen Kursen gab es jedes Semester etwa drei interdisziplinäre Kurse, 1995 zum Beispiel zur Umweltproblematik, Arbeitsbeschäftigung, Wettbewerb, Erweiterung und Vertiefung.
Zum Ausbildungsprogramm gehörte, dass die Studierenden eine Diplomarbeit verfassten, die zuvor in persönlichen Besprechungen vorberaten, im Kurs vorgestellt und gemeinsam diskutiert worden war. Das breite Themenpanorama dieser Arbeiten wird jeweils in den Jahresberichten aufgelistet. Weiterführende Studien, etwa Dissertationen bildeten die Ausnahme; Forschung war Sache der Dozierenden. Bis 2011 wurden gegen 500 Diplome des „Masters in Advanced European Studies“ vergeben bzw. erworben. Jedes Jahr kamen eindrückliche Gruppenbilder mit zumeist jungen zukunftsfrohen Menschen zustande.
Das Europainstitut hatte von Anfang an auch den aussereuropäischen Raum im Auge, aber in der Regel mit Blick auf die Aussenbeziehungen der EU und beschränkt auf das staatliche und halbstaatliche Handeln. Das bedeutete aber nicht, dass die wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen unbeachtet geblieben wären. Europa stand im Zentrum, das Interesse beschränkte sich jedoch nicht auf die europäische Binnenproblematik, es galt zum Beispiel auch der europäischen Entwicklungspolitik sowie der weiteren, z.B. mit NAFTA und Mercosur geregelten Handelspolitik.
Die 1999 auf den Weg gebrachte Bologna-Reform erreichte die Universität Basel in verschiedenen Etappen. 2004/05 machte man sich auch im Europainstitut Gedanken, wie auf diese Reform zu reagieren sei. Eigentlich setzte das „Advanced“-Programm ein abgeschlossenes Grundstudium voraus und damit war ein 5-jähriges (bzw. 10-semestriges) Studium bis zum Lizentiat oder Magister gemeint. Mit der Einführung des 3-jährigen (oder 6semestrigen) Bachelors meldeten sich mehr und mehr auch Studierende mit einem solchen Abschluss an, um unseren Nachdiplomstudiengang zu belegen. Dies war ein weiterer Grund, einen drei- bis viersemestrigen Masterstudiengang „European Studies“ zu entwickeln, der 2007 startete. Der Nachdiplomstudiengang wurde ab 2013 nicht mehr angeboten.
Mit dem Amtsantritt der zweiten Leiterin des Europainstituts Madeleine Herren-Oesch im Jahr 2013 weitete sich das Lehrangebot aus; es nahm, die beschleunigte Globalisierung Europas berücksichtigend, globale Dimensionen an, mit einem Schwerpunkt im asiatischen Raum. Der neue „Master European Global Studies“ löste den „Master European Studies“ ab. Der vom Institut mit den drei Fakultäten angebotene Studiengang, der in dieser Form nur in Basel angeboten wird, verzeichnet eine stets wachsende Nachfrage. Er vermittelt Konzepte und Methoden, die Europas globale Vernetzung sowohl in ihrem historischen Kontext als auch in ihrer Bedeutung für Gegenwart und Zukunft erfassen.
Inhaltsverzeichnis
- Teil 1: Ausgangslage
- Teil 2: Ein Pionierprojekt
- Teil 3: Ein Teil der Universität
- Teil 4: Regional und International
- Teil 5: Das Ausbildungsangebot
- Teil 6: Die Interdisziplinarität
- Teil 7: Kleines Team – grosse Aufgabe
- Teil 8: Die Finanzierung
- Teil 9: Angesehene Gäste
- Teil 10: Die Domizile
- Teil 11: Ein Ende und ein Anfang
- Teil 12: Global, transnational, historisch und digital
- Teil 13: 2018-2023: Umbruch und Transformation
Über den Autor
Prof. Dr. Georg Kreis war von 1993 bis 2011 Leiter des Europainstituts der Universität Basel, wo er auch weiterhin unterrichtet. 2008 wurde er als Professor für Neuere Allgmeine Geschichte und Schweizer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Basel emeritiert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte der europäischen Integration, internationale Beziehungen, Fragen der Identität, Nationalismus sowie die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Genozid, kollektive Erinnerungen und Repräsentationen des Vergangenen.