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Öffentlicher Vortrag von Dr. Paul Seger zum Jubiläum der UNO

Im Anschluss an die Mitgliederversammlung des Förder- und Alumnivereins am 4. November 2025 begrüsste Vereinspräsident Christian Egeler Vereinsmitglieder, Studierende und Mitarbeitende des Europainstituts sowie weitere Interessierte zu einem öffentlichen Vortrag von Dr. Paul Seger, ehemaligem Schweizer UNO-Botschafter in New York zum Thema “Die UNO mit 80 Jahren: Greise statt Weise und am Ende ihrer Lebenserwartung?”.

Seger skizzierte zunächst die Geschichte der Vereinten Nationen seit ihrer Entstehung nach dem Zweiten Weltkrieg und ordnete die heute oft diagnostizierte "Krise der UNO" ein. 9/11 markiere gemäss Seger zwar eine sichtbare Zäsur in der Geschichte der UNO, die Ursachen der Krise des liberalen Multilateralismus reichten jedoch tiefer: heterogen gewordene internationale Akteure, Schattenseiten der Globalisierung und eine zugespitzte Polarisierung – mit Donald Trump als akzentuierter Spitze dieser Entwicklung. Vor diesem Hintergrund stellte Seger die Leitfrage des Vortrags, ob die UNO den Herausforderungen von heute und morgen gewachsen ist und welche Rolle Nationalstaaten und multilaterale Foren künftig spielen müssen.

In der Gegenwartsanalyse betonte Seger den finanziellen Druck auf die Organisation – die US-Administration "drehe der UNO den Geldhahn zu" –, während die meisten Mitgliedstaaten auf die Vereinten Nationen angewiesen seien. Zugleich gebe es aber auch hausgemachte Probleme: (1) verhärtete Blockbildung, (2) ein überdehntes Verständnis nationaler Souveränität und (3) eine Überpolitisierung, bei der Staaten Themen platzieren, die an den eigentlichen Kernaufgaben vorbeigehen.

Mit Blick nach vorn unterstrich Seger die Grösse der Aufgaben im 21. Jahrhundert – Geopolitik, Klima, Polarisierung – und plädierte dafür, Foren zu stärken, in denen diese Fragen verhandelt werden. Eine Reform des Sicherheitsrates hingegen bleibe schwierig: Ein erweiterter Rat sei zwar dringend nötig, das Vetorecht werde jedoch – als Preis für die Einbindung der Grossmächte – jede realistische Reform überdauern.

Abschliessend fasste Seger seine Überlegungen in mehreren Thesen zusammen: nötig seien ein nüchterner, nicht idealisierender Blick auf die UNO, ein geschärftes Verständnis ihres Beitrags zur menschlichen Sicherheit, ein Fokus auf Schutz vor Hunger, Obdachlosigkeit und Klimafolgen sowie ein weniger eurozentrischer Zugriff und eine stärkere Rolle des internationalen Genf als „humanitäre UNO“. In der lebhaften Diskussion teilte Seger zudem spannendes Insider-Wissen zur aktuellen UNO-Praxis, zu Schweizer Positionen und zu den realen Ideen eines Multilateralismus der Zukunft.

Dr. Paul R. Seger ist Schweizer Diplomat und Völkerrechtler. Er war von 2010 bis 2015 ständiger Vertreter der Schweiz bei der UNO in New York, anschliessend u. a. Botschafter in Myanmar und von 2018 bis 2023 Botschafter in Deutschland.

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