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Europakolloquium mit Hugues Pernet, erster Botschafter Frankreichs in Kiew, Ukraine (1990–1993)

Am Abend des 27. November 2023 fand im Kollegienhaus der Universität Basel ein Europakolloquium mit Hugues Pernet, erster Botschafter Frankreichs in Kiew (Ukraine), statt. In Anlehnung an sein kürzlich erschienenes Buch Journal du premier ambassadeur de France à Kiev, 1990-1993 (Flammarion, 2023) hielt Pernet einen Vortrag mit dem Titel «Ukraine 1990 - 1993: Une indépendance hypothéquée?». An den Vortrag im vollen Hörsaal des Kollegienhauses schlossen sich eine angeregte Diskussion und ein Apéro.

Nach seinem Eintritt in den diplomatischen Dienst durch Absolvierung des «concours d’Orient» mit Schwerpunkt auf den russischen Sprachraum war Hugues Pernet zunächst in Washington und Moskau tätig, bevor er 1990 mit der Eröffnung eines französischen Konsulats in Kiew beauftragt wurde. Als «Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik» war die Ukraine zu diesem Zeitpunkt noch integraler Bestandteil der UdSSR. Mit dem Fall der Berliner Mauer im November des Vorjahres wurde jedoch eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die zum baldigen Zusammenbruch der UdSSR und damit zu einer grundlegenden Neuordnung des geopolitischen Gleichgewichts führte. Die Eröffnung des französischen Konsulats in Kiew kam daher als direkte Reaktion auf diese politischen Prozesse und nahm sich zum Ziel, die komplexen Dynamiken und Ereignisse aus nächster Nähe zu beobachten.

In seiner Funktion als erster Botschafter Frankreichs in Kiew berichtete Hugues Pernet in den Jahren von 1990 bis 1993 fortan wöchentlich von den aktuellen Ereignissen nach Paris. Seine inzwischen deklassifizierten Analysen bilden die Grundlage seines aktuellen Buches, welches aus erster Hand von den Hindernissen und Herausforderungen der noch jungen Ukraine berichtet. In seinem Vortrag nahm Pernet einige der spannendsten Aspekte seines Buches auf und veranschaulichte diese anhand seiner reichhaltigen Erfahrungen als Zeitgenosse und Beobachter vor Ort. Bezugnehmend auf die dramatischen Entwicklungen seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 zeigte Pernet dabei auf, wie diese frühe Phase der ukrainischen Geschichte zum besseren Verständnis des gegenwärtigen Krieges beitragen könne.

So wies Hugues Pernet etwa darauf hin, dass das am 24. August 1991 erfolgte Referendum über die Unabhängigkeit der Ukraine zu keiner sowjetischen Intervention – und allgemein zu keinerlei Blutvergiessen – führte. Gleichwohl seien aber bereits zu dieser Zeit von sowjetischer bzw. russischer Seite territoriale Forderungen auf ukrainisches Gebiet erhoben worden. Eine ähnliche Betonung der historischen Kontinuitäten in den aktuellen Geschehnissen fand sich auch in Pernets Ausführungen zur Frage der nuklearen Abrüstung. So war zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung ein enormes Arsenal an sowjetischen Nuklearkörpern auf ukrainischem Boden stationiert. Auf Druck und unter Anleitung der USA wurden diese sodann in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit teils an die UDSSR bzw. Russland zurückgeführt, und teils vernichtet. Trotz breiter Unterstützung von ukrainischer Seite stellte die nukleare Abrüstung angesichts der latenten Spannungen zum Nachbarn Russland indes ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko für den neuentstandenen Nationalstaat dar. Vor diesem Hintergrund hätten die westlichen Staaten daher bereits zu diesem Zeitpunkt jene grundlegende Verantwortung für die Sicherheit des ukrainischen Volkes übernommen, der sie heute gerecht zu werden versuchen.

Das Europakolloquium ist vom Europainstitut der Universität Basel gemeinsam mit der Alliance Française de Bâle und der Société d’Études Françaises de Bâle organisiert worden. Die Begrüssung erfolgte durch Prof. Dr. Christa Tobler, Professorin für Europarecht an der Universität Basel. Die Diskussion wurde moderiert von Prof. Dr. Robert Kopp, emeritierter Professor für moderne französische Literatur an der Universität Basel.