Altersdiskriminierung im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht – eine rechtsvergleichende Betrachtung des Schweizer Rechts und des EU-Rechts


SNF-Forschungsprojekt, 2019-2023

Projektleitung: Prof. Dr. Christa Tobler
Projektmitarbeitende: lic.iur. Mark-Anthony Schwestermann, Advokat

Das Alter begleitet uns als natürliches Phänomen von der Wiege bis zur Bahre. Das Recht misst dem Alter einen besonders hohen Stellenwert bei: Mündigkeit, politische Stimmberechtigung sowie der Rentenanspruch knüpfen direkt an das Alter an, um nur einige Beispiele zu nennen.

In der Gesellschaft lässt sich jedoch der Ausschluss an der sozialen Teilhabe wegen des Alters beobachten. Davon sind alle Lebensbereiche betroffen: das Erwerbsleben (z.B. Stellenverlust oder Nicht-Anstellung wegen des Alters), das Wohnen (z.B. Erschwernis bei der Suche nach einer Mietwohnung) oder auch die medizinische Versorgung (z.B. Altersgrenzen für Behandlungen).

Mit Blick auf die Beschäftigung weist die Schweiz im Vergleich zu den übrigen OECD-Ländern zwar eine der höchsten Beschäftigungsquoten älterer Arbeitnehmer aus. Dennoch sind ältere Personen besonders stark von Altersdiskriminierung betroffen. Dies zeigt sich unter anderem an der langen Dauer der Arbeitslosigkeit bis zur Neuanstellung. Zum Vergleich: Während 25- bis 34-Jährige bis zur Neuanstellung im Schnitt rund sechs Monate benötigen, dauert die Stellensuche bei den 63- bis 64-Jährigen mit zwölf Monaten doppelt so lange.

Für die Betroffenen ist Altersdiskriminierung in sozialer Hinsicht verheerend und zugleich Auslöser zahlreicher Begleiterscheinungen (Vereinsamung, Depression, Drogensucht etc.). Altersdiskriminierung im Erwerbsleben führt zusätzlich zu markanten finanziellen Einbussen im Rentenalter.

Auch gesamtwirtschaftlich gesehen ist Altersdiskriminierung schädlich. Alleine die arbeitsmarktlichen Massnahmen schlagen mit mehreren hundert Millionen jährlich zu Buche, ganz zu schweigen vom Verlust an erfahrenem Humankapital, auf das die Wirtschaft nach einer allfälligen Annahme der Volksinitiative «Gegen eine Masseneinwanderung» erst recht angewiesen wäre.

Unter der Leitung von Prof. Christa Tobler und mit der Unterstützung von Prof. Kurt Pärli verfasst Mark-Anthony Schwestermann eine Dissertation, die sich mit Altersdiskriminierung in den Bereichen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts auseinandersetzt.

Ganz grundlegend wird zunächst das Phänomen der Altersdiskriminierung untersucht: Was ist Alter? Was bedeutet Altersdiskriminierung? Wieso wird gestützt auf das Kriterium Alter diskriminiert?

Sodann wird analysiert, wie die Schweizer Rechtsordnung in den Bereichen des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts der Altersdiskriminierung begegnet. Ziel der Forschungsarbeit ist nicht bloss die nüchterne Betrachtung des Status-quo der Schweizer Rechtsordnung. Ziel der Forschungsarbeit ist es vor allem, wissenschaftlich fundierte Lösungen zu finden, die einerseits zur Beseitigung von Altersdiskriminierung und andererseits zur Minderung der Folgen von Altersdiskriminierung beitragen sollen.

Andere Staaten sind mit derselben Problematik konfrontiert. Sie verfolgen unterschiedliche Lösungsansätze. Es lohnt sich daher, aus diesem Erfahrungsfundus Erkenntnisse zu gewinnen. Zu diesem Zweck werden in der Dissertation rechtsvergleichende Überlegungen angestellt, in denen konkret das Recht der EU sowie dessen Umsetzung durch einen Mitgliedstaat betrachtet wird. Die Einschränkung auf den Vergleich mit der EU erscheint sinnvoll, weil der europäische Raum der Schweizer Kultur und Rechtstradition nahesteht und daher auch als vergleichbar erscheint.

Das Dissertationsprojekt dauert voraussichtlich bis Sommer 2023.