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«Zum Geburtstag der Bilateralen I und II – aller guten Dinge sind III?! Ein Generationengespräch»
Am 25. November 2024 diskutierten am Europainstitut Nationalrätin Sarah Wyss und Prof. em. Dr. Georg Kreis, Gründungsdirektor des Europainstituts, unter der Moderation von Prof. Dr. Christa Tobler und Prof. Dr. Andreas Müller über die Geschichte, Gegenwart und Zukunft des bilateralen Wegs der Schweiz. Anlass war der doppelte Geburtstag der bilateralen Abkommen: 25 Jahre Bilaterale I und 20 Jahre Bilaterale II. Der volle Hörsaal zeugte vom grossen Interesse an diesem Thema.
Die Diskussion spannte einen weiten Bogen – von der Entstehung der bilateralen Abkommen in den 1990er Jahren über die heutige politische Debatte bis hin zu den Verhandlungen über ein neues Paket, das bereits als «Bilaterale III» bezeichnet wird. Die rund 78% Stimmbeteiligung bei der Abstimmung zu den Bilateralen I zeigte, wie kontrovers die damalige Debatte war. Georg Kreis betonte, dass eine ähnlich leidenschaftliche Diskussion notwendig sei, um die kommenden Herausforderungen zu meistern, insbesondere angesichts einer möglichen Volksabstimmung im Jahr 2026.
Die Teilnehmer:innen erörterten, wie sich die Haltung der Schweiz gegenüber Europa über die Jahre verändert hat. Während in den 90er Jahren der bilaterale Weg als «Königsweg» galt, sehen sich die Befürworter:innen heute mit immer lauter werdenden Gegenstimmen konfrontiert. Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Frage, wie solidarische Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der EU gestaltet werden kann. Wyss und Kreis wiesen darauf hin, dass wirtschaftliche Kooperation auch Solidarität erfordert, sei es in Form der Kohäsionszahlungen oder eines stabilen rechtlichen Rahmens. Die Schweiz müsse sich bewusst werden, dass die bisherigen Abkommen nicht nur mit wirtschaftlichen Vorteilen einhergehen, sondern auch Verpflichtungen mit sich bringen.
Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung des politischen Framings. Christa Tobler warnte davor, Begriffe wie «Unterwerfungsvertrag» unkritisch zu übernehmen, da dies die öffentliche Debatte negativ beeinflussen könne. Andreas Müller betonte, dass auch bei den sogenannten Kohäsionszahlungen das Framing eine Rolle spiele. So mache es einen Unterschied ob es sich bei den Kohäsionsbeiträgen um eine «Zahlung» zur Sicherung des Schweizer Zugangs zum EU-Binnenmarkt oder um einen «Solidaritätsbeitrag» handle. Nationalrätin Wyss betonte, es müsse stärker kommuniziert werden, welchen Mehrwert die bestehenden und künftigen Abkommen für die Schweiz haben, um auch das Stimmvolk abzuholen.
Auch das Publikum hatte reichlich Gelegenheit, sich in die Diskussion einzubringen. So standen insbesondere Fragen zu den konkreten Inhalten von möglichen Bilateralen III und den Herausforderungen der Verhandlungsstrategie im Zentrum. Einig waren sich die Teilnehmer:innen, dass es in der Schweiz mehr politische Führung und eine offene Debatte braucht, um die bilaterale Zusammenarbeit langfristig zu sichern. Das Generationengespräch bot spannende Einblicke in die bilateralen Beziehungen und zeigte, wie komplex und emotional dieses Thema in der Schweiz diskutiert wird. Der Abend endete mit einem Apéro, bei dem die Anwesenden die Möglichkeit hatten, die Diskussion in informellem Rahmen fortzusetzen.
Christa Tobler ist Professorin für Europarecht an den Europainstituten der Universität Basel und der Universität Leiden. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit dem rechtlichen Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sowie mit Fragen der Rechtsgleichheit und der Diskriminierung.
Andreas Müller ist Professor für Europarecht, Völkerrecht und Menschenrechte an der Juristischen Fakultät der Universität Basel. Zu seinen Lehr- und Forschungsgebieten gehören europäisches Verfassungs- und Wirtschaftsrecht sowie Themen des internationalen und europäischen Menschenrechtsschutzes.
Sarah Wyss ist Schweizer Nationalrätin für die Sozialdemokratische Partei (SP). Derzeit ist sie Präsidentin der Finanzkommission des Nationalrats und Präsidentin der Europäischen Bewegung Schweiz, Sektion Basel. Davor war sie Grossrätin für Basel-Stadt. Am Europainstitut hat sie einen Masterabschluss in European Studies erworben.
Georg Kreis war als Professor für Neuere Allgemeine Geschichte und Schweizer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Basel Gründungsdirektor des Europainstituts, leitete es knapp 20 Jahre lang und trug massgeblich zu dessen Aufbau und Ausbau bei. Auch nach seiner Verabschiedung im Jahr 2011 bleibt er weiterhin eng mit dem Europainstitut verbunden und ist vielfältig im Institut aktiv.