2. Ein Pionierprojekt

Als Trägerin des tridisziplinären Instituts für Recht, Wirtschaft und Politik (mit dem impliziten „vierten“ Fach der Interdisziplinarität) wurde am 15. Juni 1993 die Stiftung Europainstitut Basel geschaffen. Der Geschichte kam und kommt eine Sonderrolle zu: Da sie auch Teil jeder der drei anderen Disziplinen ist, wurde die Gesamtleitung des Instituts nicht zufällig jemandem aus der historischen Disziplin und mit interkultureller Ausrichtung anvertraut.

Es mag unbescheiden klingen, entspricht aber den Gegebenheiten: Das Europainstitut war längere Zeit der Entwicklung des an der Universität Basel angebotenen Lehrbetriebs voraus – mit der verbindlichen Umschreibung der Lehrveranstaltungen, mit der Vergabe von Credit-Points (noch vor „Bologna“), mit der anonymen und allen Beteiligten zur Verfügung gestellten Bewertung der Veranstaltungen durch die Studierenden, mit einer Alumni Association und einem Förderverein, mit einer Homepage und regelmässig erscheinenden Newsletter und nicht zuletzt mit der systematischen Einwerbung zusätzlicher Finanzierung – heute fast überall Selbstverständlichkeiten, damals Pionierleistungen. Neben der Lehre und Forschung hatte das Institut drei weitere Aufgaben zu erfüllen: die Dokumentationsfunktion, insbesondere mit einer eigenen Bibliothek, was anfänglich, d.h. vor der beinahe unbegrenzten Zugänglichkeit im Internet, noch wichtig war. Eine weitere Funktion bestand im Bereitstellen von Expertise, verbunden mit der Aufgabe, damit zusätzliche Mittel für die Betriebskosten zu generieren. Schliesslich erfüllte das Institut eine Forumsfunktion durch das Angebot öffentlicher Veranstaltungen, die regelmässig im eigenen Haus und von Zeit zu Zeit im Falle von grösseren Veranstaltungen im Hauptgebäude der Universität stattfanden.

Entgegen der von schweizerischen EU-Gegnern immer wieder geäusserten Vermutungen machte sich das Institut nicht zur Aufgabe, den EU-Beitritt der Schweiz zu propagieren. Wie sich das Institut zur politischen Entwicklung des Objekts seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung stellte, war tatsächlich ein Randthema der Institutsarbeit. Es befasste sich vor allem mit den Grundzügen der europäischen Integrationsproblematik und vermittelte hierzu Grundlagenwissen. Dennoch wurde die Entwicklung des europäischen Integrationsprojekts mit ihren ups and downs mitsamt Fragen der Tagespolitik am Rande des klassischen Unterrichts erörtert. Das Europainstitut war keine Propagandastelle im Dienste der EU, sondern ein Ort der kritischen Analyse. Sicher herrschte eine positive Grundeinstellung dem europäischen Projekt gegenüber. Dies schloss aber kritische Beurteilungen etwa der Wahlen für das Europäische Parlament oder der Art der Kommissionszusammensetzung oder der Ausarbeitung der EU-Verfassung nicht aus.

Der Forumsfunktion kann man zurechnen, dass das Institut von Anfang an unter dem Titel „Basler Schriften zur europäischen Integration“ eine eigene Publikationsreihe unterhielt. Sie bot den Dozierenden und Studierenden eine Publikationsplattform, zudem diente sie dem Tausch von Schriften mit anderen Instituten und war generell ein Instrument, das die Sichtbarkeit des Instituts in der Öffentlichkeit erhöhte. Seit 2014 erscheint sie als E-Journal unter dem Titel Global Europe – Basel Papers on Europe in a Global Perspective und ist auf der Website des Europainstituts sowie über das Periodikaportal der Universitätsbibliothek zugänglich. Alte Ausgaben werden derzeit in Zusammenarbeit mit der Universitätsbibliothek digitalisiert.1


1Global Europe – Basel Papers on Europe in a Global Perspective.


Über den Autor

Georg Kreis

Prof. Dr. Georg Kreis war von 1993 bis 2011 Leiter des Europainstituts der Universität Basel, wo er auch weiterhin unterrichtet. 2008 wurde er als Professor für Neuere Allgmeine Geschichte und Schweizer Geschichte am Historischen Seminar der Universität Basel emeritiert. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Geschichte der europäischen Integration, internationale Beziehungen, Fragen der Identität, Nationalismus sowie die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, Genozid, kollektive Erinnerungen und Repräsentationen des Vergangenen.